8 Studierende – 8 Tage in Paris

Mit Erasmus+ in Paris. 

Von 8.-15. März 2025 fuhren Marion Lasinger und Christa Kaissl mit acht Studierenden für acht Tage nach Paris zu unserer Partnerinstitution. Es gab Kontakt zu drei verschiedenen Einrichtungen: Das Schulzentrum Cité Scolaire François Villon, unsere Partnerinstitution im 14. Pariser Arrondissement, beherbergt ein Microlycée, also ein Gymnasium der zweiten Chance, das die letzten beiden Schulstufen anbietet und zur Matura führt. Die 6. Klasse wird im „Pôle Innovant Lycéen“ angeboten und ermöglicht den Schüler/-innen, eine berufliche Ausbildung zu wählen, Praktika zu machen oder später ins Microlycée aufzusteigen. Die Schüler/-innen sind – wie die meisten Teilnehmer/-innen dieser Reise – 17 bis 24 Jahre alt.

Eine Lehrerin arbeitet zusätzlich am einzigen Abendgymnasium für Erwachsene in Frankreich, dem Lycée d’Adultes, das dem Linzer Abendgymnasium sehr ähnlich ist, mit dem einzigen Unterschied, dass es seit 1863 (!) eine städtische Einrichtung ist.

Ein kleiner Einblick in unsere Reise

Samstag
Anreise mit dem Zug über Frankfurt.

Sonntag
Arc de Triomphe (zwecks Überblick); Champs Elysées, Besichtigung der Galeries Dior; Kaffeepause im Petit PalaisPlace de la ConcordeJardin des TuileriesPyramide du Louvre; Besichtigung des Künstlerzentrums 59, rue de RivoliCentre Pompidou (von außen) mit dem Stravinsky-Brunnen, Mittagessen im jüdischen Viertel, dem Marais; Notre Dame de Paris (aber nur von außen); Bootsfahrt (Eiffelturm by night).

Montag bis 15:00
Empfang im Pôle Innovant Lycéen durch die Kontaktlehrerin Cécile Pérez im Beisein der Direktorin Nathalie Pitiot und erstes Kennenlernen mit Spezialitäten aus Österreich: Mozartkugeln, Mannerschnitten, Linzer Torte und Pez.
Die Kontaktaufnahme zwischen den Schüler/-innen wurde durch das kulinarische Angebote erleichtert. Es gab die Möglichkeit anhand eines Arbeitsblattes über die angebotenen Süßigkeiten zu sprechen. So konnten ev. Hemmschwellen überwunden werden.
Im Anschluss gab es Unterricht: Informatik, Philosophie (Platons Höhlengleichnis), Debattierkurs rund ums Kino, Werken und Englisch.
Das Essen in der Kantine ermöglichte einen kulturellen Vergleich bzgl. der Wichtigkeit von gutem Essen in beiden Ländern. Es gab Couscous mit Gemüse, wahlweise Huhn oder Fisch, Salat, Obst, Joghurt um 6€.
Nach der Schule
Galeries Lafayette (mit Blick über die Stadt) und Printemps (wegen der schönen Glaskuppel); Abstecher zur Fashion-Week am Nordbahnhof oder Canal Saint-Martin (zum Crêpes-Essen).
Abends: Vorbereitung des Beitrags für die Präsentation in der Schule.

Dienstag bis 12:15
Morgens in der Hotelhalle: Vorbereitung des Beitrags für die Präsentation in der Schule. Dann: Unterricht im Pôle Innovant Lycéen: Anhand von mitgebrachten Bildern wurden Ausschnitte österreichischer Kultur durch die Teilnehmer/-innen präsentiert und die persönlichen Lebensläufe wurden in Kleingruppen verglichen. Es folgte projektbezogener Unterricht zum Thema Weiterbildung, Berufschancen, Glück und Resilienz. Für alle war diese Unterrichtsphase nützlich, um über berufliche Orientierung nachzudenken, insbesondere welche inneren und äußeren Faktoren zum Erfolg führen können.
Zwischen den beiden Schulbesuchen:
Moulin Rouge (von außen; eine Mühle ohne Flügel); rue Lepic; rue des Martyrs; rue des Abbesses; die „je t’aime“-Wand; Montmartre und Sacré-Cœur; die Maler am Place du Tertre; der Weinberg; das ehemalige Künstlerzentrum La Maison Rose; das Cabaret Le Lapin Agile; ein Abstecher zu einer leider geschlossenen Bäckerei in der rue Caulaincourt (Filmkulisse von Ladybug); afrikanisches Viertel La Goutte d’Or.

Dienstag 18:00-21:00
Am Abend gab es Empfang und Austausch im Lycée d’Adultes, dem Gymnasium für Erwachsene. Es ging um Schulsystem, Fächer und Geschichte der Schulen. Im Beisein der Direktorin Cécile Duportail wurden die Schulen vorgestellt und verglichen. Wieder gab es eine Verkostung österreichischer Spezialitäten. Im Anschluss führten die französischen Schüler/-innen uns mit ihrer Englischlehrerin Emilie Lecâtre durch das Viertel. Thematisiert wurde vorrangig der Wandel vom Arbeiter- zum Künstlerviertel und das Begrünungsprojekt am Place de la Catalogne, wo ein hitzeresistenter Wald entstehen soll. Die Thematisierung des ökonomischen und ökologischen Wandels entsprach vollends den Interessen der österreichischen Schüler/-innen. Auch auf Biografien berühmter Feministinnen wie Colette oder Simone de Beauvoir wurde eingegangen. Die Führung fand teils auf Französisch, teils auf Englisch statt. Der Kontakt mit dem Gymnasium für Erwachsene zeigte uns, wie wichtig Chancengleichheit in einer Gesellschaft ist.

Mittwoch bis 12:15
Unterricht im Pôle Innovant Lycéen: Englisch und Theater.
Beim Theaterkurs ging es vorrangig um Blickkontakt, genaues Beobachten, Stimmführung und Körpergefühl. Die Schauspielerin sprach Französisch und Deutsch.
Gemeinsames Mittagessen mit dem Englischlehrer – auf Französisch und Englisch.
Nach der Schule:
Die Lehrerinnen besuchen das Grab von Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre auf dem Friedhof von Montparnasse und sahen sich die rue Daguerre bei Tag an, während die Schüler/-innen ihren Museumsbeitrag vorbereiteten.
Um 17:00 waren wir im Louvre – ohne Warteschlange. Jeder Schüler hatte also ein Gemälde oder eine Skulptur vorbereitet, die er/sie den anderen beschreiben und erklären konnte. Die Informationen stammten aus dem Buch „Monas Augen“ von Thomas Schlesser:
Unser Programm:
Mona Lisa von Leonardo da Vinci, Das ländliche Konzert von Tizian, Der sterbende Sklave von Michelangelo, Der Astronom von Jan Vermeer, Thomas Gainsborough: Konversation in einem Park, Jacques-Louis David: Der Schwur der Horatier.
Marguerite Gérard: Die interessante Schülerin, Marie-Guillemine Benoist: Porträt von Madeleine und Francisco de Goya: Stillleben mit Schafskopf und Rippenstücken – waren leider im Richelieu-Flügel, den wir nach vier Stunden nicht mehr geschafft haben.
Antoine Watteau: Pierrot – war leider verliehen.
Auch die Lehrerinnen waren vorbereitet: Jean Auguste Dominique Ingres: Die große Odalisque; Eugène Delacroix: Die Freiheit führt das Volk; Théodore Géricault: Das Floß der Medusa; Die Venus von Milo.
Ein besonderes Highlight war, dass diverse Modedesigner ihre Modelle im Louvre so platziert hatten, dass sie zum Hintergrund passten.

Donnerstag bis 13:00
Besuch einer digitalen Ausstellung mit Bildern von Pablo Picasso und Henri Rousseau zusammen mit Schüler/-innen des Microlycée.
Das Ausstellungsgebäude ist eine ehemalige Eisengießerei, was für Schüler/-innen aus der Stahlstadt Linz besonders interessant ist und eine kulturelle Verbindung herstellen konnte.
Um einander vor der Ausstellung besser kennen lernen zu können, erhielten je zwei Schüler/-innen ein dreisprachiges Arbeitsblatt mit der Biographie Pablo Picassos. Der Text war auf Englisch, enthielt aber deutsche und französische Wörter, die die Schüler/-innen sich dann gegenseitig erklären konnten.
Im Anschluss an die Ausstellung wurden kleine Magnete bemalt oder beschrieben. Festgehalten wurden Schlüsselwörter oder Bilder, die beeindruckend waren. Die Magnete der österreichischen und französischen Schüler/-innen ergaben dann ein gemeinsames Mosaik. Das Foto des Mosaiks ist eine bleibende Erinnerung an den gemeinsam verbrachten Vormittag.
Nach der Schule:
Gemeinsames Essen. Besuch des jüdischen Viertels (Marais): Place des Vosges, rue des Rosiers; Hôtel de Ville; Île Saint-Louis, Île de la Cité, Buchhandlung Shakespeare’s and Company; Palais Royal mit den Säulen von Daniel Buren; Passage Vivienne.
Hier waren nicht mehr alle dabei, weil es schon zu Erfrierungserscheinungen und Schwächeanfällen kam. Immer wieder gab es Regenschauer und 10 Grad sind für Stadtspaziergänge nicht ideal.
Die Lehrerinnen haben durchgehalten und sich um 20:00 noch Zutritt zur Kathedrale Notre Dame verschafft. Leider sind die Schlangen tagsüber zu lang, besonders bei dieser Kälte.

Freitag bis 18:00
Den letzten Tag verbrachten die Schüler/-innen in Kleingruppen in der Stadt, um ihr digitales Fotoprojekt abzuschließen. Es wurden eigenständig außerschulische Treffen mit französischen Schüler/-innen organisiert, was die Aufgeschlossenheit und das Selbstbewusstsein der französischen und österreichischen Schüler/-innen und deren sprachliche Kompetenzen widerspiegelt.
Die Lehrkräfte waren in der Schule, um mit den Lehrer/-innen der Partnerschule über die gemeinsam verbrachte Zeit zu reflektieren und neue Projekte anzudenken. Als besonders gelungen wurden die Kommunikationsbereitschaft und die niederschwellige Kontaktaufnahme betrachtet. Das Switchen zwischen mehreren Sprachen wurde als Erfolg verbucht. Die Schüler/-innen konnten ihre interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen anwenden und erweitern.

Samstag
Rückreise über Frankfurt. Die Züge waren pünktlich.

DIGITALISIERUNG
Die Lehrkräfte konnten ihre digitalen Kenntnisse anwenden und verbessern. Sei es bei der Reservierung von Museumstickets, bei der Anwendung von Mobilitätsapps oder durch die Verwendung von Graphic-Apps wie InShot oder Canva zum Erstellen von Insta-Beiträgen bzw. für die Homepage.
Die Schüler/-innen mussten vorwiegend Mobilitäts-Apps anwenden.
Für das digitale Foto-Projekt wählte jeder ein Thema („EINS“, „ZWEI“, „DREI“, „BLAU“, „WEISS“, „ROT“, „QUADRAT“, „KREIS“, „DREIECK“, „SPIRALE“ und bearbeitete und arrangierte die unterwegs aufgenommenen Bilder dann mit entsprechenden Graphic-Apps.
Die Verständigung mit den Schulen erfolgte per Mail, aber vorrangig per WhatsApp.
Auch die Teilnehmer/-innen kommunizierten untereinander und mit den Begleiterinnen per WhatsApp.
Eine digitale Kunstausstellung mit Bildern von Picasso und Rousseau, die gemeinsam mit Schüler/-innen des Micro-Lycées besucht wurde, rundete den digitalen Schwerpunkt ab. Endprodukt war jedoch eine analoge Gemeinschaftsarbeit. Ein Mosaik aus Magneten, bemalt mit Wortcollagen oder Zeichnungen, brachte die Eindrücke der Ausstellung auf den Punkt. Das Projekt mit dieser Gruppe hat gezeigt, dass interkulturelle Verständigung bzw. Verständigung in Europa möglich wird, wenn man gemeinsam Kultur entdeckt.

ÖKONOMIE
Im Zentrum des gemeinsamen Kennenlernens von Kultur standen auch Industrie und Wirtschaft.
Wir besuchten zwei stillgelegte Industriebauten: Zuerst die Eisenschmelze, in der sich nun das Atelier des Lumières befindet, wo gemeinsam mit dem Micro-Lycée eine digitale Kunstausstellung besucht wurde und ein Geschäftslokal in der 39, rue des Francs Bourgeois im Marais, dem jüdischen Viertel, wo ab im 19. Jahrhundert wertvolle Metalle, nämlich Abfallprodukte von Juwelieren und Goldschmieden, eingeschmolzen wurden, um dann wiederverwertet zu werden. Der ästhetische Umbau des Gebäudes, der den Fabriksschlot im Zentrum erhalten konnten, verbindet heute Industriegeschichte mit Konsumbedürfnissen.
Wir begaben uns im Anschluss an den Unterricht gemeinsam auf die Spuren der Geschichte von Geschäftslokalen: Von den überdachten Passagen im Palais Royal über die windgeschützten überdachten Passagen (Passage Vivienne) bis zu den ersten Großkaufhäusern mit prunkvollen Glaskuppeln wie Printemps und Galeries Lafayette, zu denen es in Österreich kein Pendant gibt. Thematisiert wurden einerseits die Bedürfnisse der Konsument/-innen, andererseits die Biografien bekannter Modedesigner. Vor dem kofferförmigen Geschäftslokal von Louis Vuitton erfuhren die Schüler/-innen die Geschichte des Aufstiegs des kleinen Jungen vom Land, von der Art zu reisen im 19. Jahrhundert, vom Einfluss des Zugfahrens auf „Verpackungen“. In der Galerie Dior wurde die Bedeutung der Mode noch einmal aufgegriffen. Die Modeindustrie ist einerseits ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor in Frankreich, Mode ist aber auch Kunst und Kunsthandwerk, weshalb die Präsentation von Modellen aller großen Modeschöpfer im Louvre dieses Thema gut abrunden konnte. Hier kommunizierten die Modelle mit Gemälden, Wandteppichen und Tapeten im Hintergrund, passten sich an oder bildeten Kontrapunkte.

KOMMUNIKATION
Mode ist auch eine Form der Kommunikation: Man sendet Botschaften, gibt etwas preis, versteckt etwas, provoziert oder passt sich an. Der erste Eindruck eines Menschen wird durch Blicke, Haltung und Darstellung – also Mode – vermittelt, und erst dann wird das erste Wort gewechselt.
Die französischen  und österreichischen Schüler/-innen waren vielfach gefordert: durch die gemeinsamen und doch auch trennenden Sprache, dadurch, dass sie einander in kurzer Zeit kennen lernen mussten, sei es durch pädagogische Aktivitäten, gemeinsames Essen, gemeinsame Kunstbetrachtung, sei es durch angeleitete Diskussionen zu vorgegeben Themen, die dann aber doch erlaubten, etwas von sich selbst zu erzählen.
Der Besuch der digitalen Ausstellung im Atelier des Lumières zu Pablo Picasso und Henri Rousseau wirkte verbindend, Adressen und Instagram-Accounts wurden ausgetauscht und sogar private Treffen am Folgetag wurden vereinbart.
Ebenso verbindend war der gemeinsame Stadtspaziergang mit dem Lycée d’Adultes außerhalb des schulischen Rahmens: Geschichte des Viertels, berühmte Frau, die Entwicklung vom Arbeiter- zum Künstlerviertel, Begrünungsprojekte – all diese Themen luden ein zum Austausch, zur Reflexion zu zweit oder dritt und machten bewusst, wie nah wir einander trotz unterschiedlichen Sprachen und Geschichten doch sein und kommen können.
Im Zuge der Stadtbesichtigungen wurde den Schüler/-innen klar, welchen Einfluss die städtebaulichen Veränderungen von Georges-Eugène Haussmann hatten, wie Paris zur Großstadt werden konnte, wie die Verkehrswege die Verbindung zwischen Zentrum und Vororten verbessern konnten und nicht zuletzt, dass schnelle Mobilität einen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg geleistet hat.
Von allen drei Schulen wurde uns rückgemeldet, dass der Besuch einer österreichischen Schule für die französischen Schüler/-innen, die genauso wie wir Drop-out-Erfahrungen haben, mit beruflichen, privaten, sozialen, psychischen oder physischen Herausforderungen konfrontiert sind, eine große Wertschätzung bedeutet.
Die Kommunikation unter den Lehrkräften war wirklich bereichernd, denn die Möglichkeit, Zugänge zu Förderungen, Coaching von Schüler/-innen mit diversen Bedürfnissen auf internationaler Ebene vergleichen zu können, ist inspirierend.

Mobilitätsprogramme können im wahrsten Sinn des Wortes viel bewegen und zur Völkerverständigung beitragen, ob unsere Schüler/-innen mit familiären Wurzeln in der Türkei oder in Jordanien und die französischen Schüler/-innen mit Wurzeln in Angola oder Kamerun – wichtig ist das gegenseitige Kennenlernen, gemeinsame Aktivitäten, um zu erkennen, dass es der Mühe wert ist, sich für ein friedliches, demokratisches Europa einzusetzen.
Am 17.3. 2025 veröffentlichte die Partnerschule diesen Beitrag: https://pilparis.org/2025/03/17/des-autrichiens-au-pil/

Text: LAS;  Fotos: KAI/LAS und Studierende

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